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INTERVIEWS

Fühlen, atmen, staunen!

sven mit maske

Von der freien Theatergruppe übers feste Haus zur Institution: Sven Grunert feiert in Landshut sein 30-jähriges Bühnenjubiläum als künstlerischer Leiter, Regisseur und Intendant des Kleinen Theaters: 30 Jahre – 30 Fragen

1. Barfuß oder Lackschuh?
Barfuß natürlich! Ein Fußabdruck im Sand, eine Welle, die einen Weg vorgibt. Spuren hinterlassen.

2. Das Wichtigste, was Ihnen Giorgio Strehler am Piccolo Teatro Mailand mit auf den Weg gegeben hat?
Zwei Einsichten: „Liebe ist kein Wort, es ist ein ganzes Konzept: Liebe zum Theater, Liebe zum Leben, Liebe zum Theaterleben.“ Die zweite: Dass es normal ist für einen Regisseur, ab und zu „ver-rückt“ zu sein.

3. Was braucht man für die Gründung eines Theaters?
Einen Scheinwerfer, eine Monatsmiete für einen 100-qm-Raum, ein Ensemble von 5 SchauspielerInnen, ein tolles Stück, eine mitreißende Inszenierung, Enthusiasmus, Mut und Bereitschaft zur Ver-rücktheit!

4. Was vermissen Sie aus den Anfangstagen im Hinterhaus in der Neustadt 455?
Das Feiern nach den Proben. Und das Umherziehen in der Stadt zwischen dem Bistro „Le Clou“ und der Disko „Bauhaus“.

5. Vor der Premiere: Meditation oder doppelter Espresso?
Weder noch. Ich genieße ganz einfach die Präsenz der Abwesenheit.

6. Nach der Premiere: Wasser oder Wein?
Wein predigen, Wein ernten, Wein trinken. Vielleicht kann ich es etwas präziser ausdrücken: Wein predigen bei den Proben, Wein ernten bei der Premiere, danach Wein trinken. Ganz im Geiste von Dionysos.

7. Wie oft haben Sie sich die Sicherheit eines festen Ensembles am Haus gewünscht?
Eigentlich hatte ich immer ein festes, genau gesagt: „festes freies“ Ensemble. Viele meiner Schauspielerinnen und Schauspieler sind dem Haus seit Jahrzehnten verbunden. Diese Kontinuität ist eine Grundlage meiner künstlerischen Arbeit.

8. Haben Sie noch einen Überblick, wie viele Stücke Sie im Kleinen Theater gezeigt haben?
Um die 200 Stücke und 60 eigene Inszenierungen von Shakespeare über Strindberg und die Klassiker der Moderne bis zum zeitgenössischen Theater.

9. Ihr Lieblingsort im Kleinen Theater?
Immer dort, wo ich gerade bin und zu tun habe. Brauche ich einen Rückzugsort, findet man mich in meinem James-Joyce-Raum unter dem Dachgiebel.

10. Ihre legendäre Trainingsjacke als Alltagsgarderobe scheint der Wolljacke gewichen zu sein – ein Zeichen der Reife?
Meist trage ich unter der Wolljacke immer auch eine Trainingsjacke.

11. Ein Stück, das Sie gerne früher auf den Spielplan gesetzt hätten?
Die „Dreigroschenoper“ 1998 zur Eröffnung der neuen Kammerspiele Landshut in der Bauhofstraße wäre sicher ein Knaller gewesen.

12. Die treffendste Beleidigung, mit der Sie ein Schauspieler oder eine Schauspielerin in den 30 Jahren bedacht hat?
Im Theater wurde ich, ehrlich gesagt, noch niemals beleidigt. Man ging sich höchstens nach harten Auseinandersetzungen höflich aus dem Weg. 

13. Welcher Raum im Rottenkolberstadel, in dem das Theater untergebracht ist, ist immer zu klein?
Unser kleines Großraumbüro.

14. Wann haben Sie zuletzt daran gedacht, alles hinzuschmeißen?
Hinschmeißen kenne ich nicht, mein Konzept ist Weitermachen. Mir geht es stets um Transformation – je größer ein Ende, desto größer der neue Anfang.

15. Was wäre Ihr Plan B fürs Leben gewesen?
Für mich gab es nur Plan A: ein Leben im Theater. Dafür habe ich immer schon gebrannt. Mit zehn Jahren habe ich mit Freunden ein Marionettentheater aufgemacht, wir spielten auf Straßen und Plätzen und in Schulen. Unser Equipment war ein Bretterboden, ein Vorhang und darauf eine lächelnde Sonne.

16. Bitte ergänzen Sie: Ohne den Förderverein ...
... hätte ich nicht der sein können, der ich geworden bin, und sicher nicht mein 30-jähriges Bühnenjubiläum gefeiert. Seit 2010 ist das „kleine Theater KAMMERSPIELE Landshut“ in seiner Geschäftsform eine gemeinnützige GmbH. Der Trägerverein ist jedoch für mich das Nest, wo ich mit vertrauten Menschen die gleiche Passion teile, nämlich Theater zu lieben und im Schwarm der Möglichkeiten Zukunft zu entwickeln. Vorhang auf, das Spiel beginnt. Das ehrenamtliche Engagement ist für das „kleine Theater“ sehr wichtig, und das seit 30 Jahren. Das ist schon etwas ganz Besonderes.

17. Wie viele Menschen passen ins Inspizientenkammerl?
Drei Personen: Ton, Licht, Video.

18. Wann wurde Ihr Improvisationstalent als Theaterleiter einmal besonders gefordert?
Während des Umzugs von der Neustadt 455 in die Bauhofstraße 1: Kurz vor Eröffnung der neuen Kammerspiele Landshut mit „Hautnah“ von Patrick Marber am 26. September 1998 stellten wir fest, dass man dort keine Garderobe eingeplant hatte. Aber die Situation wurde gemeistert. Dank des schnellen Reagierens und der Tatkraft der Stadt Landshut, unseres wichtigsten Förderers und Partners. Man ließ kurzerhand die Schreiner anrücken, und das zwei Tage vor der Eröffnungspremiere.

19. Wie bindet man die Schauspieler ans Haus?
Mit Liebe und Verständnis, mit Aufgaben, an denen sie wachsen können, und einer gemeinsamen Welt von Ideen, die man teilen kann.

20. Welche Figur der Theaterliteratur gibt Ihnen Hoffnung?
Der Prospero aus Shakespeares „Sturm“ mit seinem Versprechen, dass eines Tages alles wieder gut wird. Anders gesagt: Der Glaube an die Überwindung eines Konfliktes zum Positiven. Trotz aller Tragödien.

21. Falls das Theater noch mal umziehen sollte: Welcher Gegenstand muss auf jeden Fall mit?
Das ganze Haus, wenn das ginge! Aber wenigstens unser Logo, das kleine rote „k“ vor der Tür, dazu das „k-Manifest“ und die aus meiner Jugend stammende Bacchusmaske samt Kerze im Foyer, die den Geist und das Feuer des Hauses seit 30 Jahren immer wieder neu entfacht.

22. Könnten Sie heute noch mal ein Theater gründen?
Genau das versuche ich mit jeder neuen Inszenierung im Kleinen Theater Landshut.

23. Wie setzt sich die Finanzierung des Theaters zusammen?
Geldgeber sind die Stadt Landshut, das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, unsere Theatereinnahmen, der bayerische Kulturfonds, die Sponsoren und natürlich die Stuhlpaten. Daraus generiert sich die wirtschaftliche Grundlage der gemeinnützigen GmbH Kleines Theater Landshut.

24. Was ist Ihr bestes Argument auf der Suche nach Sponsoren?
Kein Geld ist besser angelegt als in die Kultur, denn sie ist das Floß, das uns alle trägt, vor allem in besonders stürmischen Zeiten!

25. Mit welchem Argument holen Sie Netflix-Menschen vom Sofa ins Theater?
Auf ins echte Leben! Lasst euch überraschen! Fühlen, atmen, staunen!

26. Ein Tipp, den der Sven Grunert von heute seinem jüngeren Ich von vor 30 Jahren geben würde?
Du musst das Unmögliche denken und das Unmögliche wagen. Denn macht man nur das Mögliche, würde bald gar nichts mehr geschehen – und wenn ich nur noch das täte, was ich tun kann, würde ich bald gar nichts mehr tun. Sättigung ist Stillstand. Hungrig bleiben im Staunen.

27. Welches Stück hätten Sie lieber nicht inszeniert?
Ich habe immer nur das inszeniert, was ich wirklich wollte – und zu diesem Zeitpunkt für wirklich wichtig hielt.

28. Theater als Stream – Fluch oder Segen?
Ich verstehe unseren digitalen Auftritt, direkt und live von der k-Bühne, als Einladung in die analoge Welt des Theaters. In diesem Sinn ist der Stream ein Fenster zur Welt.

29. Gerade in Krisenzeiten muss man träumen: Wohin soll sich das Theater entwickeln?
Das Theater muss immer werden, was es seinem Wesen nach ist: Theater, theatre, théâtre, teatro ... – am besten in allen Sprachen der Welt, denn Weltoffenheit ist die größte Feindin aller Diktaturen.

30. Sie sind Gründungsintendant und nach 30 Jahren immer noch im Amt. 2021 sind Sie 60 geworden. Welche wichtigste Eigenschaft muss irgendwann Ihr Nachfolger haben?
Mut – und die Kraft, das Haus auf Kurs zu halten. Das Kleine Theater ist kein Name, sondern ein Konzept: „Solange der Vorhang aufgeht, verspricht die Welt, die sich dahinter befindet, eine andere zu werden.“   

team 1992 1993 mit sven

Das Team 1992 / 1993 mit Sven Grunert (hintere Reihe, zweiter von rechts)

Konzept: Katrin Filler und Philipp Seidel, Landshuter Zeitung, 21. Januar 2023


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