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Sven Grunert zeigt mit „Faust01 – Fragmente23“ im Kleinen Theater in Landshut eine eigenwillige, stimmige Inszenierung von Goethes Klassiker

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Goethe und Grunert. „Faust01 – Fragmente23“. Roadmovie im Rottenkolber Stadel. Wenn im Kleinen Theater zu Landshut der Intendant höchstselbst den Klassiker aller Klassiker inszeniert, stellen sich spannende Fragen. Man ahnt als Besucher, dass die wenigsten davon einer einfachen Antwort zugänglich sind und dies ganz im Sinne des Regisseurs ist. Und des Großdichters sowieso, der vor bald zwei Jahrhunderten im Gespräch mit Eckermann gesagt haben soll: „Welche Idee ich in meinem Faust zu verkörpern gesucht? – Als ob ich das selber wüßte und aussprechen könnte. […] Je inkommensurabler und für den Verstand unfaßlicher eine poetische Produktion, desto besser.“

Es beginnt ja schon vor der Premiere. Erstaunt nimmt man zur Kenntnis, dass sich Grunert für sein die Spielzeit eröffnendes Stück „Philosophische Beratung“ ins Haus geholt hat (in Person der Leipziger Expertin Konstanze Caysa, die unter anderem Vorträge über Hegel und Nietzsche zu halten pflegt). Sven Grunert, dieser sperrige Theatermacher, ewige Lebensergründer, notorische Allesdurchdenker und -hinterfrager, engagiert externen Sachverstand? Klingt interessant – und scheint die Aussicht auf intellektuellen Overload, wie er bei „Faust“ fast unweigerlich zu befürchten ist, nicht zu schmälern.


Aber keine Sorge. Der Regisseur findet einen stringenten Weg, der unter anderem darin besteht, die Schwere und Undurchdringlichkeit des Stoffes mit einer „radikalen Strichfassung“, wie er sie selbst bezeichnet, zu brechen.

Es gibt auch Lacher. Wer sich daran erinnert, dass Peter Stein einst eine 22-stündige „Faust“-Aufführung auf die Bühne gestellt hat, weiß es zu schätzen, wie das uneingeschränkt ambitionierte und doch punktuell leichthändige Landshuter Stück etwa mit der Dauer eines Fußballspiels auskommt.

Zu erleben ist eine hochkonzentrierte Ensembleleistung – und doch: Einer überragt die anderen. Johannes Meier legt ein einigermaßen sensationelles Debüt am Kleinen Theater hin. Der 39-jährige Thüringer gibt einen verdammt, verdammt coolen Mephisto. Je länger das Stück dauert, umso mehr dominiert die Darstellkunst Meiers, der auf der Bühne sein Spiel mit Faust treibt und situativ flankierend so etwas wie Schabernack mit dem Publikum.
Am stärksten ist er in leisen, auch wortlosen Momenten; bisweilen strahlt er mit sparsamer, perfekt dosierter Mimik mehr Präsenz aus als sein angestrengt deklamierender Kollege daneben. Mit Hausroutinier Andreas Sigrist ist die Titelrolle grundsolide und überraschungsarm besetzt; ein Gewinn ist die mehrschichtige Interpretation der Greta durch Nicola Trub.

Und dann ist da die Technik. Fünf Echtzeitkameras und teils spektakuläre Projektionen kommen in der ja doch eher engen Räumlichkeit zum Einsatz. Wird hier übermotiviert mit Hokuspokus gewedelt, der dem good old Kleinen Theater womöglich seinen speziellen Charme raubt?
Auch hier: Entwarnung. Video und Co. sind im „Faust“ gerade kein Selbstzweck, vielmehr das Mittel der Wahl, um nicht nur feine Übergänge zu schaffen, sondern zudem Sequenzen von besonderer Poesie. Das Kleine Theater wird größer und bleibt sich doch selbst treu.
Grunert und Goethe, das ist ein gutes Match. Obschon der erstgenannte den zweiten „durchaus sehr kritisch“ sieht, wie der Rede des Intendanten auf der Premierenfeier zu entnehmen war. Wie der Blick wohl umgekehrt ausfiele ? Nimmt man das eingangs erwähnte Goethe-Zitat als Maßstab, mag man davon ausgehen, dass der Dichterfürst nicht ohne Wohlgefallen auf das Landshuter Stück schauen würde.

Freischwebende Spekulation, das. Ungleich konkreter dagegen die These, dass nicht viele hiesige Theaterbesucher sich jener Magie entziehen können, die Grunerts Inszenierung von den ersten Minuten an entfaltet. Diese werde noch unten im Foyer gespielt, bevor sich Schauspieler und Publikum unter Glockengeläut auf den Weg zum Bühnenraum im ersten Stock machen. Das ist: großes Theater.

Michael Stolzenberg, Landshuter Zeitung, 2. Oktober 2023

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