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Zwei junge Menschen treffen sich, weil sie – auf der Suche nach dem ultimativen Kick – gemeinsam aus dem Leben scheiden wollen. Laura Puscheck und Andrés Mendez spielen dieses Paar in Igor Bauersimas Stück „norway.today“ aus dem Jahr 2000, das an diesem Freitag Premiere am Kleinen Theater in Landshut hat. Inszeniert hat es Odile Simon, die das Theater schon aus frühen Jahren kennt.

Frau Simon, Sie waren Mitte, Ende der 90er Jahre als Schauspielerin und Regisseurin am Kleinen Theater und dann lange in Berlin und in Ihrer Heimat Luxemburg. Was vom alten Geist des Kleinen Theaters finden Sie heute wieder?

Odile Simon: Das gleiche Engagement, mit einem sehr großen Kraftaufwand Kultur zu machen und zu erhalten und weiterzutreiben. Das finde ich hier wieder, den gleichen kreativen Geist, und daraus etwas Kreatives entstehen zu lassen.

Sie kennen das Kleine Theater noch als Zimmertheater in der Neustadt. Wie gefällt Ihnen der heutige Standort Rottenkolberstadel?

Simon: Es ist ein sehr schönes Gebäude, die ganze Architektur, die Farben. Das Haus verspricht etwas. Die Bühne finde ich großartig, man merkt, dass da schon ganz viele Stücke über die Bühne gegangen sind. Man spürt das, wenn man in ein Haus reinkommt. Ich habe das Gefühl, dass jeder, der mal in einem Haus war, etwas von sich zurücklässt. Das macht die ganze Atmosphäre aus.

Das Stück „norway.today“ passt gut zum Kammerspiel-Charakter des Kleinen Theaters: Es geht um zwei junge Menschen, die sich in Norwegen in einem Zelt auf einer Klippe über dem Meer treffen, um gemeinsam aus dem Leben zu scheiden. Was treibt diese beiden, Julie und August, aus dem Leben?

Simon: Das ist ein Paradox: Indem sie aus dem Leben scheiden wollen, sind sie auf der Suche nach dem Leben. Beide treiben sich sehr viel im Internet herum auf der Suche, etwas zu erleben – und erleben eigentlich gar nichts. Auf der Suche nach dem richtigen Leben denken sie, dass sie das im Tod finden.

Das Stück basiert auf einer wahren Geschichte.

Simon: Der Autor hat eine Notiz in der Zeitung gefunden, in der sich zwei Menschen in einem Chat getroffen und tatsächlich umgebracht haben. Daraus hat er aber eine ganz andere Geschichte geschrieben, nicht diese Werther-Romantik, diese Todessehnsucht. Er erzählt von zwei jungen Leuten, die im Wohlstand aufgewachsen sind, die auch nicht depressiv sind, die auf der Suche nach dem Leben sind, paradoxerweise. Es ist erzählt mit Situations- und Dialogkomik, und der Autor zeigt, wie unsinnig und wie grotesk diese Situation ist, dass sie denken, sie finden den Kick im Tod.

Was passiert?

Simon: Schlussendlich werden die beiden auf der Suche nach dem großen Erlebnis von ganz anderen Erlebnissen überwältigt, von der Schönheit der Natur, von der Kreativität der Natur und auch von der Kraft der Liebe, gegen die sie sich nicht wehren können. Da merken sie zum ersten Mal: Es gibt echtes Leben im Leben. Im Stück werden viele Fragen aufgeworfen: Was ist der Sinn des Lebens? Was ist echt, was ist fake? Was ist Realität, was ist Langeweile? Das Stück ist mehr als 20 Jahre alt, wurde in 20 Sprachen übersetzt – ist aber sehr aktuell, weil diese Internet-Realität immer bedeutender und immer absurder wird. Julie und August wollen die letzten Momente mit der Kamera aufzeichnen. Sie merken, wie schwer das ist, dieses Reale ins Virtuelle umzusetzen, und scheitern letztlich daran.

Wie geht das Stück mit dem schwierigen Thema Selbsttötung um?

Simon: Es ist keine Anleitung zum Suizid, sondern es wirft Fragen auf. Als Goethe seinen Werther geschrieben hat, haben sich tatsächlich viele Menschen umgebracht. Das war die Zeit der Romantik, da hat man die Todessehnsucht gepflegt. Aber Igor Bauersima hat das Stück mit einer ironischen Distanz geschrieben, so dass man gar nicht auf die Idee kommt, das, was die beiden vorspielen, imitieren zu wollen. Es ist im Grunde ein Plädoyer fürs Leben.

Odile Simon mit Philipp Seidel, in: LZ, 3.5.2024

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